Sonntag, Februar 26, 2006

Me and you and everyone we know


800.000 Dollar reichten Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin Miranda July, um diese kleine Filmperle auf die Beine zu stellen. Der Plot von "Ich und du und alle, die wir kennen" ist reine Nebensache und auch schnell erzählt. Seniorentaxifahrerin und zeitgenössische Künstlerin Christine (Miranda July) verliebt sich in den teilzeit-alleinerziehenden Vater und Schuhverkäufer Richard (John Hawkes), der zunächst nichts von ihr wissen möchte. Und als wäre das nicht schon genug, treibt auch der Nachwuchs von Richard, seine 14 und 7 Jahre alten Söhne, sein Unwesen in Internet-Datingchats und im heimischen Schlafzimmer. "Ich und Du" enthält eine ganze Palette an skurillen Charakteren, keine Stereotypen, die die lapidare Story erfrischen und einzigartig machen.

Der Film hat sich zum Hauptthema die einfachen Leute der Vorstadt und ihre Schwierigkeiten im digitalen Zeitalter Kontakte zu knüpfen gemacht (und soviel mehr!). Ein wahres Sammelsurium an liebenswerten Ideen, bei denen man Julys Wurzeln in der (zeitgenössischen) Kunst ausmachen kann und trotzdem sind Kamera und Schnitt auf höchstem Niveau.
Eine herrlich melancholische Grundstimmung, untermalt von einem fantastischen Score von "Donnie Darko" Komponist Michael Andrews, und tolle Dialoge fernab vom 08/15 Liebesfilmgeschwafel, zeichnen "Ich und Du" besonders aus.
Das Ganze wird immer wieder durch aberwitzige Situationskomik aufgelockert, und der Zuschauer kann selbst während der viel zu kurzen 91 Minuten Laufzeit eine gewisse Nähe und Verbundenheit mit den Personen aufbauen.

"Ich und du, und alle die wir kennen" ist zurecht mit Preisen und Auszeichnungen überschüttet worden. Ein Film, der von seinen unzähligen Details und liebenswerten Charakteren lebt und über den man soviel schreiben könnte, man ihn aber gesehen haben sollte, nein muss, um den herzerwärmenden und einzigartigen Zauber einfangen zu können. Denn eins hat man auf jeden Fall danach gelernt: Mit Einsen und Nullen geht das nicht.

Mittwoch, Februar 22, 2006

Lord of War


"Händler des Todes", so der reisserische deutsche Untertitel des Films, plus der Trailer vermittelten den Eindruck eines 08/15 Actionfilms nach Schema F. Zum Glück weit gefehlt.

Andrew Niccols (Gattaca) Film, der nach eigenen Angaben auf wahren Ereignissen beruht, erzählt die Geschichte des Waffenhändlers Yuri Orlov (Nicolas Cage). Der wiederum schildert dem Zuschauer aus dem Off amüsant und eindrucksvoll seinen Werdegang vom ukrainischen Immigranten zu einem der größten Waffenschieber der Welt und zeigt die Sinnlosigkeit der Kriegsmaschinerie der Supermächte auf.

Niccol arbeitete dabei mit echten Waffenschiebern zusammen und musste auf finanzielle Unterstützung seitens amerikanischer Studios gänzlich verzichten. Nicolas Cage überzeugt als abgeklärter Waffenhändler Yuri ebenso wie der Rest des Cast, mit Ausnahme von Ethan Hawke, der vergebens probiert einen Interpolagenten zum Besten zu geben.

"Lord of War" ist ein unglaublich zynisch und bissiger Film, gespickt mit jede Menge schwarzer Humor, der im letzten Drittel jedoch einiges an Dampf ablässt, zugunsten von Dramatik und Unterstreichung der Ernsthaftigkeit des Themas.
Keine hohle Antiamerika Propaganda, wie man sie derzeit vom Bosporus serviert bekommt, sondern eine intelligente, gut durchdachte Geschichte, die den Supermächten amüsant und doch unverschönt den Spiegel vor's Antlitz hält.

Sonntag, Februar 12, 2006

Walk the Line


Folsom/Kalifornien, Staatsgefängnis. Die stampfenden Insassen rufen nach Johnny Cash, der später eines seiner berühmtesten Konzerte geben wird. Der gezeichnete Cash betrachtet abwesend eine Kreissäge. Ein Symbol für ein einschneidenes Erlebnis aus seiner Kindheit und in den nächsten 130Minuten erfahren wir wie aus J.R. Cash der legendäre "Man in Black" wurde.

"Walk the Line" umfasst die Jahre 1944-1968 des Countrystars. Seiner Jugend, dem Verlust seines Bruders, seiner eher unglücklichen Ehe, seinen Drogenproblemen und seiner Liebe zu June Carter.
Regisseur James Mangold legt dabei keinen Wert auf inszenatorische Raffinesse oder Edeloptik sondern beschränkt sich bei seinem Film auf die Stimmungen seines Stars und den Zeitgeist der 50er und 60er Jahre, der perfekt eingefangen wird.
Eine gewisse Episodenhaftigkeit, dessen Manko fast jeder biographische Film aufzuweisen hat, lässt sich leider auch in "Walk the Line" nicht von der Hand weisen. So werden einige Aspekte aus Cashs Leben, wie die problematische Beziehung zu seinem Vater Ray (Robert Patrick), nur schemenhaft angedeutet doch reduziert Mangold seinen Film auf die angesprochenen "einschneidenden" Erlebnisse Cashs, und lässt diesen dann aber angenehm viel Platz und Ruhe, so dass ein hektisches springen von Jahr zu Jahr zum Glück entfällt.

Obwohl es schon fast zum guten Ton dazu gehört das Spiel von Joaquin Phoenix (Cash) und Reese Witherspoon (Carter) lobend hervorzuheben, sei nochmals gesagt, dass die zwei Akteure mit Leichtigkeit die besten Leistungen ihrer Karriere abliefern, und das nicht nur aufgrund der täuschend echt vorgetragenen Songs. Da haben Johnny Cash und June Carter ein gutes Händchen bei ihrer Auswahl bewiesen.

"Walk the Line" ist ein herausragend gespieltes, kurzweiliges und einfach typisches Biopic geworden, das auch für Nicht-Fans wie mich seinen Reiz hat. Eine würdige Ehrerbietung der 2003 verstorbenen Musiklegende.